Wir müssen reden.

utopia

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Nun ist es wieder soweit: Deutschland sucht die Bundesregierung. Und auch in diesem Wahldurchlauf wird es keine großen Sprünge geben. Aus alt mach neu sozusagen und die Medien können sich dann endlich wieder auf ihr Alltagsgeschäft, der negativen Inszenierung von Weltereignissen, konzentrieren. Achja und dem Wetter und der Sportberichterstattung, ganz klar. Weiterlesen

Die roten Fäden meines Lebens.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es irgendwann einmal eine regelmäßig stattfindende Trainingsstunde gegeben haben muss, in der alle Menschen professionell darauf vorbereitet wurden, eigenhändig den perfekten Plan vom eigenen Leben zu entwerfen. Auch bin ich mir sicher, dass man in diesem Training fachmännisch in alle grundlegenden Skills eingearbeitet wurde, die zur Realisierung dieses Plans zählen und einem* zu dem Menschen* machen, der* aus gesellschaftlicher Sicht als nicht gescheitert, sondern erfolgreich und letzten Endes als dazugehörig anerkannt wird. Nach Abschluss dieses Trainings könne man* quasi gewissenlos ins Leben aufbrechen, ohne dass man* jemals wieder in eine Situation von Verunsicherung geraten würde. Klingt einfach, so umsichtig und gestärkt losgeschickt zu werden auf die Lebensreise, doch schlussendlich habe ich die Befürchtung, dass man schon schnell auf der Insel der Spießigkeit strandet. Aber: Ist es das, was ich will?

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Alle, die an dieser Stelle mit Nein oder weiß nicht reagieren, sind womöglich diejenigen, an denen genauso wie an mir die Einladung zu diesem besagten Trainingsunterricht vorbeigegangen ist. Hallo an dieser Stelle. Ihr seid nicht alleine. Weiterlesen

Just another Tinder-Grippe.

08.01.2016 14:35 Uhr

Salut, M. Ich hoffe, du hast etwas von der Sonne heute. Welch Geschenk  🙂 Ich freue mich auf später. Kommst du am Bahnhof an? Bitte lass jegliche Erwartungen daheim 😉 Es wird unkonventionell und sicher fein. Allerliebst, Jules*

       15:04 Uhr

Ich bin gespannt! Ich lande am Bahnhof, ja. Wo wollen wir uns treffen? Den HBF kenne ich nicht sooo gut.

15:59 Uhr

Wir können uns in der Bahnhofsvorhalle beim Blumengeschäft treffen. Wenn du von den Gleisen kommst, liegt es direkt rechts am Eingang.

16:33 Uhr

So machen wir das! Bis gleich.

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Die Zukunft der Arbeit ist die Zukunft der Liebe.

Manchmal weiß ich gar nicht so genau, was ich schlimmer finde: einen Menschen zu lieben, der diese Liebe nicht erwidern kann oder die Liebe zwischen zwei Menschen, die aufgrund gesellschaftlicher Bedingungen nicht zusammen sein können. Fest steht jedenfalls, dass in beiden Konstellationen Liebe und Leid nahe beieinanderliegen und viel Zeit ins Land gehen muss, bis die Liebenden dieses künstliche Ende ihrer Liebe einigermaßen überwunden haben. Weiterlesen

Lass uns nicht über Liebe reden.

Zwei Frauen sitzen stundenlang in der Küche und sprechen über die Liebe, über die Diversität heutiger Beziehungskonzepte, über Exklusivitätsansprüche, über den Ursprung von Monogamie und über den Unterschied von romantischer Beziehung und Freundschaft und alle Grauzonen dazwischen. Es kommen Fragen auf. Wer oder was entscheidet, was ich für Menschen empfinde und weshalb muss man das Verhältnis, das ich mit einer anderen Person habe, immer einer Kategorie zuordnen? Ja, und so sitzen sie da und trinken und plaudern und die Stunden vergehen, ihre Mitmenschen verdrehen die Augen ugentlemen_prefer_blondes_movie_trailer_screenshot_17nd fragen sich: Sind die eigentlich noch ganz dicht, diese Frauen mit ihren Erste-Welt-Problemen?

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Das letzte Millennium

music video jennifer lopez jlo 2000 waiting for tonight

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Als sie über Umwege erfuhr, dass er umgezogen sei; raus aus der alten schummrigen Bude, in der sie zeitweilen gemeinsam gehaust, gekocht und sich geliebt hatten auf dieser alten durchgelegenen Matratze; dass er sich nun eine größere Wohnung mit mehr Quadratmetern und Fenstern, mehr Platz zum Atmen und einer größeren Küche, einem größeren Kühlschrank, einer größeren Badewanne und einem größeren Balkon genommen habe; dass er sich eine neue Matratze gekauft und sich von seinem ganzen alten Plunder befreit habe, der in jeder Ecke seiner Bude zu finden war; befreit von dem restlichen Glitzer von ihr und ihm, der noch im Staub hinter den Regalen und Schränken schlummerte, da war es ihr mit einem Mal, als steche etwas in die Rückseite ihres Herzens und obwohl es schon Jahre her war, dass sie und er sich einander wie ein Liebespaar begegneten und nun auch schon einige Jahre ins Land gegangen waren, in denen sie getrennt voneinander lebten, schmerzte es trotzdem und immer noch zu sehen, wie leicht er sie aus seinem Leben gefegt und nun auch die letzten Nachweise ihrer Existenz darin eliminiert hatte. So wie ein kleiner Haufen Staub auf einem Kehrblech im Handumdrehen in den Hausmüll verschwinden konnte.

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An den neuen Wänden seiner neuen Wohnung hingen nicht mehr ihre übergroßen Bilder, die sie in exzessiven Nächten mit viel Rotwein intus auf dem Boden des Wohnzimmers barfuß sitzend wie ein wildes Tier ohne Bändigung produziert hatte.

Schaufelweise lud sie die Farbe mit dem Spatel auf die Leinwände und fühlte die Bedeutung von dem, was sie auf die weiße Fläche brachte. Es war die Liebe zu ihm, die sie oft klein und häuslich und deshalb manchmal auch rebellisch machte. Die Liebe, die er anders spürte als sie, was sie noch rebellischer werden ließ bis es sie quälte und es schließlich auf gar nicht so dramatische Weise in diesen vier Wänden, diesen heiligen Hallen ihrer Liebe, zu Ende ging mit ihnen beiden. In einer Nacht im Juli, in deren Dunsthaube sich alles Lebendige nur so nach Regen sehnte.

Und in dieser nächtlichen Hitze malte sie, hier auf dem Boden, weil seine unheilvolle Botschaft wie Schlick in der Luft lag und das Atmen schier unmöglich machte.

Der Boden in der neuen Wohnung war im Sommer schön kühl und der Zugang zum Schlaf ging einem leicht von der Hand. Früher musste ein klappriger alter Ventilator für das Einschlafen herhalten. Den hatte er in diesem einen seltenen, erschlagend heißen Sommer vor ein paar Jahren bei eBay-Kleinanzeigen einem Mann abgekauft, der den Nachlass seiner kurz zuvor verstorbenen Mutter in der Garage ihres Hauses verscherbelte. Und egal wie oft sich die vergilbten Ventilatorenblätter auch drehten und die stehende Luftschicht in stinkenden Wirbelwind transformierte, es kam einem so vor, als könne man sie wie Aspik in einzelne Scheiben schneiden.

Dort, wo früher die übergrößen Leinwände mit ihren exzentrischen Farbkleksen hingen, waren heute moderat gerahmte Fotos von ihm und seiner Neuen an den weißen, drei Meter hohen Wänden angebracht. Eine schöne blonde und immerlächelnde Frau, schöner als sie jemals hätte sein können, eine feminine Naturgewalt und sie dagegen ein kindliches Neutrum. Mit ihren kleinen Brüsten und ihrem instabilen Körpergewicht, für Männer wie ihn unverständlich, was du auch immer für Probleme mit dem Essen hast, sagte er manchmal, während er sich nachts literweise Schokoladeneis in den Mund schaufelte und sie daraufhin begann heimlich zu essen, damit er sie nicht als ohnehin schon noch gieriger erlebte.

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Er verwischte ihre Spuren in seinen vier Wänden, die sie hinterlassen hatte und tauschte sie gegen Schätze einer anderen. Der Neuen. Die aß wenigstens das, was er ihr ab und an kochte, wenn ihn der Enthusiasmus gepackt hatte. Und sie zog Stringtangas an. Endlich eine Frau mit Stringtangas. Das hatte er schon immer gut gefunden und nie bekommen.

Im Flur der neuen Wohnung, da stand jetzt so eine bauchige Vase auf einem kleinen Schemel, der mit einem Brokatstoff bezogen war und hinaus ragte ein langer Stiel einer festlich wirkenden Schnittblume. Es hatte ein bisschen was aus diesen Hochglanzeinrichtungsmagazinen. Alles weiß, alles rein, alles klinisch. Zu gerne hätte man sich versehentlich ganz schlimm in den Finger geschnitten, um den weißen Boden mit purpurnem Gesprenkel zu struktuieren und vollzubluten. Das wäre zynisch gewesen. Wenn man nicht gewusst hätte, dass hier Menschen lebten, hätte man es für eine Instensivstation gehalten. Oder einen überteuerten Friseursalon in einer versnobten deutschen Großstadt. Ich liebe es puristisch, sagte er. Das Wort und seine Bedeutung hatte er von der Neuen, der Schöneren von seinen Frauen, gelernt. Die, die Stringtangas trug, seinen gebratenen Speck aß ohne danach auf der Toilette zu verschwinden und keine Anstalten machte, wenn er in ihr ohne Gummi kam.

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Tja, manche Menschen waren eben von Natur aus vollkommen, dachte sie sich. Und wieder andere mussten harte Arbeit dafür leisten, wenigstens einen einigermaßen positiven Eindruck bei den Männern zu hinterlassen. Doch zumeist war es schwer für sie. Die Männer interessierten sich höchstens für sie, wenn sie im Kino zur Vorführung die Filmrolle falsch einlegte. Dann drehten sie sich um zu ihr und für einen Moment konnte sie sich einbilden, dass sie es gut mit ihr meinten. Als hätten sie ihre sexuelle Erregung durch ihren Anblick wiedergewonnen. Dabei waren die heruntergelassenen Hosen und die erigierten Schwänze ganz typisch für ein Pornokino.
Es war an einem Montag im Herbst und es war keine gute Idee, dass sie sich in einem Café gegenüber saßen und schwiegen und sie schaute ihn an, sehnte sich danach mit ihren Fingerspitzen die Fährte seiner Augenbrauen nachzuzeichnen. Stattdessen trank er rasch seine Tasse Kaffee leer, legte die Münzen auf den Tisch. Schön dich mal wieder gesehen zu haben. Ich muss los, hab noch Termine. Sie hatte sich die Mittagspause an diesem verregneten Tag schöner vorgestellt. Eine Einladung zu seiner Habilitationsfeier mit Freunden am kommenden Dienstag erschien für ihn als Anlass. Bei sich zu Hause. In seiner neuen Wohnung. Ich würde mich freuen, wenn du kommst.

Schillerstraße. Da wohnten sie jetzt. Er und die Neue mit dem perfekten Körper und den Stringtangas.

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Nachdem sie ihre Wohnung betreten hatte, legte sie sich auf die kalten Fliesen in ihrer Küche und dachte daran, wie es war, als sie noch gemalt hatte. In der alten Bude. Das hätte ihr gerade sehr geholfen. Sie waren doch beide immer noch zwei normale, zwei erwachsene Menschen. Und doch waren sie nicht im Stande dazu, gemeinsam Kaffee trinken zu gehen, ohne Abstand von ihren Gefühlen zu nehmen. Zwischen ihnen verlor jedes algebraische Gesetz an Bedeutung und alles flog auseinander, in Scherben. Wie die Vase im sterilen Flur in seiner neuen Wohnung.

In der Schillerstraße wohnen nur diese widerlichen glücklichen Ehepaare, hatte einmal ihre beste Freundin Carmen gesagt, eine beziehungsgestörte Nihilistin auf dem besten Wege zu einem Waffenschein. Mag sein, dachte sie sich. Und jetzt wohnen da halt auch eine immerlächelnde blonde Naturgewalt und ein großer, braunhaariger Pantomime, der seine Entscheidungen zu den wichtigen Dingen des Lebens nur mit sich alleine fällte.

Im unteren Regal ihres Kleiderschrankes fand sie in der hinteren Ecke zusammengeknüllt in einer geknickten Plastiktüte mit kleinen Henkeln den letzten Stringtanga ihres Lebens. Ein Übrigbleibsel des Millenniums.

 

meine party

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Victoria (D 2015)

ich bin auch nur ein stückweit streetart,
bin schlecht geklebt an litfass,
halb abgeblättert wie ein altes plakat.
und du stehst trotzdem vor mir,
weil du dachtest, ich würde noch bevorstehen wie eine lang ersehnte party 
in den kellern der stadt.
dabei hat niemand mich groß angekündigt,
weil ich irgendwo im hinterhof auf meine gäste warte,
die nicht zu mir finden. 
das leben ist schlecht beschildert.
in großen druckbuchstaben bezeichne ich mich als MENSCH
und alle wissen, was gemeint ist,
wenn ich mit konfetti um mich werfe.
die 20er sind verheerend und 
immer mehr fühle ich weniger
graffiti auf meinem herzen, in meinen wimpern,unter meinen nägeln.
verblasst hänge ich hier und warte auf den regen
und keiner ist gekommen, 
um zu mir zu tanzen
das glitzern der diskokugel und sowieso,
hier glänzt der ganze floor.
das sind die schäume der letzten nacht
und du schaust mich an als sei ich neu
aus einer plastikpackung gedrückt.
die tanzfläche bei tageslicht bringt mich zum weinen
und alles was mir in den sinn kommt 
an diesem dreckigen dumpfen morgen
mit klebrigen schuhsohlen 
etwas in mitleidenschaft gezogen, ist:
tanz mit mir.

 

Verliebt sein ohne Brechreiz.

fuchs2017Ich starte mein Jahr 2017 sehr alternativ: Ich bin nämlich nicht mehr allein. Nee, kucke: Seit zwei Monaten habe ich einen neuen Partner. Selbst jetzt noch fällt es mir wirklich schwer diese Worte zu schreiben. Nicht, weil ich es bedauere, ganz im Gegenteil, ich bin einfach überwältigt, dass so etwas wirklich auch nochmal in meinem Leben passiert ist, nachdem ich doch schon jegliche Hoffnung aufgegeben habe. Nein. Aber das Verrückte daran: Das Singledasein hat mich keineswegs frustriert. Ich war weder verzweifelt, noch bin ich aufgrund der Überzeugung in Selbstmitleid zerflossen, dass ich einfach keinen abbekommen würde, egal was auch geschehen mag. Doch irgendwie – und ich weiß wirklich nicht wie – kam alles anders und nun kann ich diese Worte sagen, schreiben, fühlen. Ich habe einen neuen Partner. Ich bin also ein Teil in einer Zweierbeziehung. Einer ernsthaften Beziehung. Keine Finte will ich meinen. Ich werde von einem Menschen also ernst genommen als Frau, als Mensch. Ein Mensch bringt mir Respekt entgegen, ja dieser Mensch scheint gar etwas für mich übrig zu haben, was alle platonischen oder sexuellen Empfindungen, die man für eine andere Person haben kann, übersteigt. Weiterlesen